Regionale, biologische Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme

Der knapp 5-stündige Workshop zum Thema regionale, biologische Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme erfreute sich großen Andrangs in Form von 55 TeilnehmerInnen aus verschiedensten Berufs- und Ausbildungsfeldern. Ziel des Workshops war es, interessierte AkteurInnen des Ernährungs- und Landwirtschaftssystems zu vernetzen, um mit ihnen gemeinsam alternative Handlungsstrategien für eine sozial-ökologische Transformation zu diskutieren. In diesem Sinne widmete sich der Workshop zwei Teilen:

  1. Entwicklung eines systemischen Verständnisses der (regionalen) Handlungsmöglichkeiten für eine sozial-ökologische Transformation des österreichischen Ernährungs- und Landwirtschaftssystems
  2. Diskussion von Kernelementen einer Transformationsstrategie

Die Entwicklung eines Systemverständnisses war begleitet von kurzen, fachlichen Beiträgen von vier eingeladenen Ressource-Personen, die mit Expertenwissen zum Problemverständnis eines alternativen Ernährungs- und Landwirtschaftssystems beitrugen. Das halbstündige Panel zu Beginn des Workshops bestand aus Sandra Karner vom IFZ - Interuniversitäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur, Juliana Lutz von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Stephan Pabst von der Universität für Bodenkultur Wien und Tanja Pitter vom Land Vorarlberg.

Juliana Lutz identifizierte drei wesentliche Herausforderungen bzw. Bedingungen in Bezug auf lokale Lebensmittelnetzwerke und einen notwendigen strukturellen Wandel: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für kleinbäuerliche Produktion und Weiterverarbeitung müssten umgestaltet bzw. vereinfacht werden. Eine wesentliche Herausforderung sei die Logistik alternativer Wertschöpfungsketten – hier brauche es intelligente und kreative Lösungen. Schlussendlich sei es notwendig, Arbeit(szeit) neu zu bewerten und Arbeitsplätze in lokalen Lebensmittelnetzwerken, z.B. mittels finanzieller Unterstützung, zu ermöglichen.

Sandra Karner betonte die Wichtigkeit einer nachhaltigen Beschaffung, deren Umsetzung aufgrund der gegebenen starken Segmentierung des öffentlichen Beschaffungswesens schwierig sei. Eine solche nachhaltige Beschaffung sollte auf früheren Praxen, wie der Zubereitung von Essen nach Bedarf und dementsprechend Reduzierung oder vielmehr Verhinderung von Müll, bauen. Dieser starke lokale Charakter gehe jedoch nicht konform mit den regulatorischen Rahmenbedingungen öffentlicher Beschaffung, die sich auf Prinzipien der „economy of scale“ stützen und eine zunehmend globalisierte Versorgung in Kauf nehmen. Um nachhaltige und regionale Beschaffung zu ermöglichen, wären Investitionen in Infrastruktur (wie z.B. Küchen in Schulen und Kindergärten) und Arbeitskräfte notwendig. Da Transformationen dieser Art politisch schwer umsetzbar seien, präsentierte Sandra Karner in diesem Zusammenhang den Social Return on Investments (SROI) als Bewertungsansatz, der sozialökonomische und umweltpolitische Werte miteinbezieht. Zudem müssen Änderungen in der Praxis von Verwaltungsbehörden als langfristige und kontinuierliche Prozesse gedacht und gestaltet werden.

Stephan Pabst erläuterte die Nischenidentität der solidarischen Landwirtschaft (CSA), die gegenwärtig durch bekennende Mitglieder und BäuerInnen getragen wird. Er hinterfragte kritisch, welche Instanz ein alternatives Landwirtschaftsmodell wie die solidarische Landwirtschaft zu einem Massenphänomen werden lassen könnte und betonte dabei, dass er Bioproduktlinien in Supermarktketten nicht als Strategie, um aus der Nische zu kommen, befürwortet. Vielmehr sei es notwendig, den selbstverantwortlichen Charakter der Initiative zu erhalten und zu stärken und CSAs als Lernräume zu stärken.

Tanja Pitter präsentierte die Ökoland Strategie Vorarlberg als Ergebnis einer Evaluierung der Praxis der Vorarlberger Landwirtschaft, die im Rahmen der (damals) anstehenden neue Periode der Gemeinsamen Argarpolitik durchgeführt und von Landesrat Erich Schwärzler als proaktive Überprüfung der Ziele und Maßnahme der Agrarpolitik beurteilt wurde. Die Besonderheit dieser Strategie bestehe unter anderem darin, dass die Maßnahmen als auch das Budget einstimmig von allen Parteien mitbestimmt wurden. Beteiligte AkteurInnen zur Zeit der Implementierung waren alle Argarsprecher, Vertreter der Landwirtschaft und Bio-Austria als auch der Genossenschaften. Gegenwärtig sind die Landesregierung wie auch neun Arbeitsgruppen mit über 100 Personen (Bauern und Bäuerinnen, Bildungsinstitutionen in Form von VertreterInnen von Landwirtschaftsschulen, Volksschulen, VertreterInnen der Tourismusbranche, Einzelpersonen etc.) an der Umsetzung regionaler Initiativen beteiligt.

Aufbauend auf die fachlichen Inputs der ExpertInnen wurde das „Systemdenken“ vertieft durch die Anwendung der Methode Rich Pictures, die Michal Sedlacko vom FH Campus Wien präsentierte. Jede Kleingruppe zeichnete ein Bild, das die Komplexität des vorherrschenden Ernährungs- und Landwirtschaftssystems abbilden sollte. Die Gestaltung dieser Rich Pictures lag jeder Gruppe frei. Grundsätzliche Elemente eines solchen Rich Pictures, die die Darstellung erleichterten und inkludiert werden sollten, waren jedoch Prozesse, Akteure und Beziehungen.

Der zweite Teil des Workshops widmete sich der Diskussion in den bereits bestehenden Kleingruppen. Die Gruppen hatten die Möglichkeit aus vordefinierten neun Kernelementen (Bildung, Regionalität, Tourismus, Handel, Produktion, Konsum, Tierhaltung, Richtlinien/Gesetze, Initiativen/Emanzipation) jeweils zwei auszuwählen bzw. eigene Kernelemente, wenn gewünscht, zu kreieren. Im Rahmen von 90min galt es, förderliche und hinderliche Faktoren, die bei der Umsetzung der Kernelemente zu bedenken sind, zu identifizieren. Trotz der unterschiedlichen Elemente, die gewählt wurden, ergaben sich grundsätzliche Hindernisse für eine zukunftsorientierte Transformation wie bspw. einer fehlenden Kostenwahrheit als auch Transparenz in Bezug auf Preisbildung, Allianzen, politische Abhängigkeiten, Unwissenheit (bspw. über regionale Produkte) und irreführende Werbung als auch fehlende Förderung von Kleinbauern und –bäuerinnen. Demgegenüber standen generelle Chancen und Möglichkeiten der Stärkung von regionalen Initiativen durch Vernetzung vorhandener Strukturen bspw. durch argarpolitische Bildungsnetzwerke, die wiederum die Wissenskompetenz als auch die Eigenverantwortung von AkteurInnen im Ernährungs- und Landwirtschaftssystem stärken.

Die anregenden Diskussionen als auch vielfältigen Ergebnisse haben gezeigt, wieviel Gesprächsbedarf das Thema der regionalen, biologischen Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme bietet. Wir freuen uns auf zukünftige Möglichkeiten eines gemeinsamen Austausches!

 

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