Gutes Leben für alle - welches und wer beginnt?

v.l.n.r.: Marlene Streeruwitz, Silvia Angelo, Alexandra Strickner, Harald Welzer (Fotocredit: pfz.at)

von Monika Austaller

 Wie sieht eine Zukunft der Gerechtigkeit und Gleichheit aus – ist Gleichheit wünschenswert? Wie mobilisiert man für eine solidarische, nachhaltige Utopie – dürfen andere überzeugt werden? Wie schafft man Arbeitsplätze und schont gleichzeitig Ressourcen – produzieren wir das Richtige?

 

Bunte Vielfalt im Publikum

Angeregte Diskussionen fanden am Wochenende vom 20. bis 22. Februar über die Vorstellung eines „Guten Lebens für alle“ statt. Wie groß das Interesse an diesem Zukunftskonzept ist, zeigte sich bereits beim Auftakt am Freitagabend: Rund 700 TeilnehmerInnen fanden sich in der WU Wien ein. Darunter waren StudentInnen, UniversitätsprofessorInnen und viele VertreterInnen von österreichischen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Attac und Südwind.

Gemeinsamer Such- und Erkämpfungsprozess

Andreas Novy (WU/Grüne Bildungswerkstatt) führte in die Thematik dieser „konkreten Utopie“ ein. Der Ökonom stellte Kritik am Wachstumszwang und die Erforderlichkeit neuer Institutionen in den Raum. Es sei ein „gemeinsamer Such- und Erkämpfungsprozess“ notwendig, für ein mehrdimensionales „Gutes Leben“: in Österreich, global und für die Natur.

„Ich war noch niemals in New York…

…aber muss ich denn hin?“ so der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer (Futurzwei). Damit meinte er, dass ein Wertewandel notwendig sei: weg von Konsumgesellschaft auf fossiler Basis hin zu solidarischen Werten und Nachhaltigkeit. Der Lebensstil heutiger „Industriegesellschaften“ sei nur möglich durch eine „Inselexistenz“, bei der nur wenige profitieren. Diese sei langfristig nicht aufrechtzuerhalten. Den Widerspruch zwischen Verstand und Gefühl ließ er nicht außer Acht: Rational gedacht, müsste man wegen Nachhaltigkeit auf Flugreisen verzichten, doch emotional wäre ein Verlust an Fernurlauben schmerzlich. Da kaum jemand Privilegien freiwillig hergeben werde, müsse diese Transformation zu einer sozioökologisch zukunftsfähigen Gesellschaft erkämpft und Konflikte riskiert werden.

Drei Schritte zur Halbierung des Ressourcenverbrauchs

Optimistisch zeigte sich Marina Fischer-Kowalski, die Leiterin der Abteilung für Soziale Ökologie der Uni Klagenfurt in Wien. Mit drei Schritten sei eine Halbierung des Ressourcenverbrauchs praktisch möglich: Auf fossile Energie verzichten, fleischfreie Ernährung und keine zusätzlichen Bauten. Zuversichtlich sei sie, weil die Ressourcen immer knapper würden, dadurch der Druck steigen und zum Umdenken zwingen werde.

Arbeitsplätze vs. Nachhaltigkeit

Silvia Angelo, die Leiterin der Abteilung für Wirtschaftspolitik der österreichischen Arbeiterkammer, gab zu, dass sich die ArbeitnehmerInnenbewegung bisher zu wenig mit dem Thema Ökologie auseinandergesetzt hätte. Sie vermisse einen konkreten Handlungsweg der Transformation. Am Boden ihres Arbeitsalltages erklärte sie, in der Arbeiterkammer dominiere eine Idee des „mehr für mehr“ und ein Verzicht, zum Beispiel auf Reisen, sei kein zustimmungsfähiges Konzept.

Etwas, das wir heute noch nicht sprechen können

Die Autorin Marlene Streeruwitz brachte eine neue Perspektive ein: Die „Kunst, die ich nicht so nennen will, weil ich etwas anderes haben möchte“. Sie forderte eine neue Sprache, um das „Gute Leben für alle“ zu beschreiben. Dieses sei für die Schriftstellerin „etwas, das wir heute noch nicht kennen und noch nicht sprechen können, aber vielleicht einmal erreichen werden“.

Darauf verzichten, von Verzicht zu sprechen

In der Diskussion im Panel warnte Welzer vor einer künstlichen Schaffung von neuen Bedürfnissen und Produkten und bezeichnete einen Verzicht auf Überschuss als Freiheit. Außerdem verzichte die Stadtbevölkerung im Status quo durch automobilen Verkehr auf Stille und Raum. Seiner Meinung nach sei Transformation mehrheitsfähig, da die meisten profitieren würden. Dabei sei niemand in der Position, anderen den Weg vorzugeben, sondern jedeR müsse seine eigenen Wertvorstellungen hinterfragen.

Konsens bezüglich Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Aus dem Publikum wurde eine dritte Generation der Menschenrechte vorgeschlagen sowie ein Budget an Ressourcen pro Mensch und Jahr, im Sinne von Ökoliberalismus und Gemeinwohlökonomie. Andere widersprachen: Sie erinnerten an das gescheiterte Konzept der CO2-Zertifikate. Außerdem sei die Frage offen, wer darüber bestimmen dürfe, wie viel „ökologisches Kapital“ jeder Mensch habe. Einige TeilnehmerInnen bestätigten Welzers Warnung, dass Machtfragen bei diesen Modellen zu selten gestellt würden.

Insgesamt war der Abend voll von gemeinsamem Enthusiasmus aber konkurrierenden Ideen, wie die Utopie „Gutes Leben für alle“ zu erreichen sei. Einig waren sich die TeilnehmerInnen über den Wert von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und dem Bewusstsein, dass die Umsetzung einer Transformation an niemanden delegiert werden könne.

Die Autorin ist Praktikantin im Paulo Freire Zentrum.

Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at

Dieser Artikel erscheint auch auf der Webseite der GBW Wien und des Paulo Freire Zentrums.

Weiterführende Links:

- Futurzwei Stiftung Zukunftsfähigkeit

- Webseite von Marlene Streeruwitz

- Institut für Soziale Ökologie

- Österreichische Arbeiterkammer

 

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