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Keynote beim Eröffnungspodium Gutes Leben für alle Kongress
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Keynote beim Eröffnungspodium Gutes Leben für alle Kongress
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Freunde,
Als wir 2015 den ersten Kongress ausrichteten, war dies vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Widerspruchs zwischen Ökologie und Ökonomie – Stichwort Wachstumskritik. Im Vordergrund stand, neu zu definieren, worum es bei einem guten, einem geglückten Leben geht - weniger konsum-, mehr beziehungsorientiert, mit Zeitwohlstand, Lebensqualität und sozialer Sicherheit. Wir interessierten uns vor allem für die Avantgarde, die PionierInnen des Wandels, die, die es schon heute anders machen – Energie sparen, Ressourcen sorgsam nutzen, gemeinsam anpacken. Von diesen Initiativen von unten gibt es viel zu lernen. 2015 gab es sogar eine eigene, von Josef Kreitmayer organisierte Initiativenmesse, bei der sich 65 Projekte vorstellten – und die vielen von der Mutmacherei organisierten Exkursionen geben auch diesmal wieder einen Einblick in die Kreativität von unten. Aber gleichzeitig ist klar: Es reicht nicht, wenn sich Initiativen wie Magdas Hotel, RUSZ oder die Bank für Gemeinwohl in Nischen einrichten. Das Problem ist nämlich ein systemisches.
Unser Wirtschaftssystem ist nicht nachhaltig. Es basiert darauf, dass nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung den ressourcenverschlingenden westlichen Lebensstil praktiziert, und dass wir die Rechnung ohne zukünftige Generationen machen. Tatsache ist: der kleinere Teil der Weltbevölkerung ist reich, lebt gut und ökologisch nicht-nachhaltig; der größere Teil ist arm, lebt nicht so gut, dafür aber ökologisch nachhaltig.
Das thematisiert ein grundlegendes Dilemma: Bislang waren Zivilisationen immer Gesellschaften, in denen einige auf Kosten vieler gut leben konnten: die Leistungen eines Aristoteles – inklusive seiner Schriften zum guten Leben – verdanken sich auch den Frauen, SklavInnen und Fremden, die ihm die nötige Muße ermöglichten. Und auch viele Bequemlichkeiten unseres Lebens verdanken sich internationalen Ausbeutungsstrukturen – sei es bei Handys, Textilien oder dem Zugang zu Öl und Gas.
Heute, 2017, erscheinen – zumindest wenn wir uns an Berichterstattung, Wahlkampfthemen, öffentlicher Aufmerksamkeit orientieren - ökologische Sorgen zweitrangig. Die Rahmenbedingungen, unter denen der zweite Kongress stattfindet, sind geprägt von Krieg in Europas Nachbarschaft, Flüchtlingen, Brexit und Trump. Ökologie und Klima sind– nur unterbrochen durch Berichte über Wetterextreme - wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Die soziale Frage und vermeintliche Kulturkämpfe sind zurück auf der Agenda.
Tatsächlich aber bewahrheitet sich eine Kernthese der Umweltforschung: Weiter so wie bisher ist keine Option. Veränderung kommt entweder chaotisch oder es gelingt, die sozialökologische Transformation friedlich zu gestalten. Flucht und Krieg sind die wahrnehmbaren Symptome von Chaos, Klimawandel und wirtschaftliche Verwerfungen die bedrohliche Hintergrundmusik, die daran erinnert, dass die eigene, als selbstverständlich angesehene Lebensweise gefährdet ist. Alles, vom Schifahren zu Weihnachten bis zu den Zukunftschancen der Kinder, aber selbst Friede und Rechtsstaat in Europa erscheinen nicht länger als Selbstverständlichkeiten. Es könnte, so die sich rasant verbreitende Erkenntnis, auch ganz anders – und zwar schlechter - werden. Katastrophismus macht sich breit. Doch angesichts der Angriffe auf zivilisatorische Errungenschaften braucht es mehr als Abwehrkämpfe, mehr als nur jeweils das Schlimmste zu verhindern.
Im Zuge der Vorbereitung, auch in vielen Gesprächen mit KooperationspartnerInnen, sind fünf Thesen entstanden, die ich im restlichen Vortrag ausführen möchte.
These 1: Gesellschaften brauchen Utopien, die Orientierung geben und Potentiale nutzen
Ein Blick in die Geschichte lehrt: Menschenrechte, Frauenrechte, die Abschaffung der Sklaverei oder der Sozialstaat – am Anfang waren all dies Utopien, die als unrealistisch, als Schwärmerei abgetan wurden. Doch sie gaben Orientierung und mobilisierten. Die Mütter vom Plaza Mayo in Argentinien, Martin Luther King, Rosa Jochmann und Nelson Mandela. Bis heute werden über sie Geschichten erzählt, die Hoffnung geben und den Möglichkeitssinn stärken. Das Bestehende, das, was ist, ist nicht das einzig mögliche. Es könnte auch anders sein.
Und um etwas anderes, potentiell Verwirklichbares anstreben zu können, braucht es Ziele, Visionen, für die es sich lohnt, Zeit, Hirnschmalz, Energie, Engagement zu investieren. Es braucht eine Idee, in welche Richtung Alternativen zu suchen sind.
Bei seiner Amtseinführung sagte Alexander van der Bellen: „Wesentlich scheint mir, dass die Politik es schafft, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, damit möglichst viele, eigentlich alle Menschen die Möglichkeit haben, ein für sie geglücktes Leben … zu führen.“ Den Worten des Bundespräsidenten folgend stehen wir vor einer Herausforderung: Ist es möglich, unsere Errungenschaften in Europa – Rechtsstaat, Menschenrechte, materieller Wohlstand und soziale Sicherheit – zu bewahren und gleichzeitig für möglichst alle Menschen die Voraussetzungen zu schaffen, dass sie gut leben können – heute und in Zukunft? Das führt zu These 2:
These 2: Gutes Leben für alle ist die konkrete Utopie einer Zivilisation, die nicht auf Kosten anderer lebt
Das gute Leben für alle führt zu einem ökologischen Imperativ: „Lebe so, dass dein Lebensstil verallgemeinerbar sein könnte.“ Ein Beispiel: In Städten der kurzen Wege, mit Begegnungszonen, Radfahren, Öffis, Nahversorgung und Naherholung könnten sieben Milliarden Menschen leben. Dreieinhalb Milliarden Autos weltweit, die die Mobilitätsbedürfnisse eines durchschnittlichen Österreichers globalisieren, führen in den ökologischen Kollaps. In diesem Sinne gibt das gute Leben für alle Orientierung für eine Lern- und Suchbewegung, die das eigene gelungene Leben mit den Möglichkeiten aller Menschen, auch zukünftiger Generationen vereinbar macht. Es ist also kein Brief ans Christkind, sondern eine konkrete Utopie, die auf den Werten der Aufklärung und der Französischen Revolution beruht: Vernunft, Freiheit, Gleichheit und Solidarität – ein Gemeinwesen für alle, eine Zivilisation, in der nicht einige auf Kosten anderer leben. Das wäre, halten wir fest, historisch etwas gänzlich Neues. Aber es ist nicht weltfremd.
Denn diese Utopie baut auf Erfahrungen, sie schließt an an die Bewegung für Rechts- und Sozialstaat; an den Kampf um Menschenrechte und für die Ächtung von Krieg. Die Utopie vom guten Leben für alle basiert auf der Republiksgründung 1918, dem Roten Wien der Zwischenkriegszeit, dem kulturellen Aufbruch nach 1968 und dem ökologischen Bewusstsein der letzten Jahrzehnte. Es ist also eine Utopie, die eine Geschichte hat. Wissend, woher wir kommen, ermöglicht sie den Blick in eine bessere Zukunft, die Antworten findet auf eine zentrale Frage: Wie müssen wir in Österreich Leben und Arbeiten gestalten, sodass sieben Milliarden Menschen ebenfalls gut leben können, mit ähnlichem ökologischen Fußabdruck und Ressourcenverbrauch? Keine leichte Frage. Fest steht, dass dies zu Auseinandersetzungen mit widerstreitenden Wünschen und Interessen führen wird. Das führt zur dritten These:
These 3: Freiheit für alle braucht Grenzen, die demokratisch verhandelt werden
Die aktuelle Hyperglobalisierung basiert auf entgrenzten Märkten, die Wettbewerb, Beschleunigung und Ressourcenübernutzung immer weiter vorantreiben. In der Spirale von Mehr und Schneller bleiben demokratisches Nachdenken, sozialer Zusammenhalt und Nachhaltigkeit auf der Strecke. Der aktuelle empirische Befund, der mittlerweile auch von OECD und Währungsfonds geteilt wird, ist besorgniserregend. Sowohl Thomas Piketty als auch Branko Milanovic weisen auf die Gefahr hin, dass die zweite Globalisierung des 21. Jahrhunderts zu den Klassenstrukturen des 19. Jahrhunderts zurückzukehren droht. Das 19. Jahrhundert, erinnern wir uns, war das Jahrhundert von Raubtierkapitalismus, Kolonialismus und Imperialismus. Heute verfestigt sich Ungleichheit erneut; Aufstiegschancen von Unterschichtskindern schwinden; Abstiegsängste der Mittelschicht steigen.
Die Freiheit der einen endet, wo die Freiheit anderer eingeschränkt wird. Das gilt umso mehr in einer endlichen Welt, mit beschränkten Ressourcen. Historisch wurden Verteilungskämpfe gelöst, indem selektiert wurde, indem einige privilegiert, viele aber unter prekären Bedingungen leben mussten. Selbst die Ringstraße, Wiens Pracht-Boulevard, verdankt seine Schönheit den elendigen Bedingungen, unter denen, wenige Kilometer entfernt am Wienerberg, die damaligen Migranten, die Ziegel-Bem, die Arbeiterinnen aus Tschechien, Ziegel für die Prachtbauten herstellten. Pracht und Schönheit einerseits, Elend andererseits. Es bedurfte der Arbeiterbewegung, aus eben diesen Migranten, den Novys, Prohaskas und Pospisils BürgerInnen dieser Stadt zu machen. Von 1919 bis 1934 legte das Rote Wien mit seinen Gemeindebauten, seinen Bädern und Bibliotheken, seiner Schul- und Sozialhilfereform den Grundstein für eine Stadt, die bis heute zwar nicht allen, aber doch vielen ein gutes Leben ermöglicht. Doch waren all diese sozialen Fortschritte damals keinesfalls unumstritten. Während Friedrich Hayek, der neoliberale Vordenker, das Rote Wien als Wegbereiter hin zur Knechtschaft sah, verkörperte es für Karl Polanyi, den Versuch, Freiheit für alle zu verwirklichen. Obwohl das Rote Wien 1934 durch Bürgerkrieg und austrofaschistische Diktatur endete, ebnete es den Weg für ein inklusives Wohlfahrtsmodell und eine Stadtentwicklung, die bis heute Slums, Banlieus und extreme Formen der Gentrifizierung vermieden hat.
Von diesen historischen Erfahrungen können wir lernen. Die Bearbeitung der sozialen Frage in Europa im 20. Jahrhundert zeigt: Gesellschaften können an Herausforderungen wachsen. Sind die Ziele klar, können Menschen gemeinsam gestalten – transformation by design wird dies in der Umweltforschung genannt. Auch wenn Österreich kein Land der Revolutionen ist, verdanken sich auch bei uns soziale Errungenschaften der Arbeiterbewegung, Frauenrechte der Frauenbewegung und ökologisches Bewusstsein der Umweltbewegung. Transformation by design gibt es nicht zum Nulltarif, sie kann auch nicht delegiert werden – an die Politik oder Expertinnen, sondern sie erfordert das Aktiv-Werden, politisches Engagement und das wiederum geht nur mit demokratischer Regelsetzung, wissend, dass die Starken ihren Willen – mit und ohne Regeln - immer leichter durchsetzen. Freiheit für alle ist aber ohne Grenzen, Regeln und Ordnung nicht realisierbar.
Hier auf der WU muss nochmals klar gestellt werden, was auf dem Spiel steht. Kapitalistische Marktwirtschaften sind eine Erfolgsgeschichte. Die letzten 200 Jahre haben ja nicht nur exponentielles Wachstum, Konsumismus und Kolonialismus, sondern auch sozialen Fortschritt und individuelle Freiheiten gebracht. Hartmut Rosa spricht von Weltreichenweitenvergrößerung, erweiterten Möglichkeitsräumen. Sich von so einem, in der Vergangenheit für unsere Breiten so erfolgreichen grenzenlosen Wirtschaften zu verabschieden, ist nicht leicht, aber angesichts ökologischer Dynamiken unvermeidbar. Der Hyperglobalisierung, dem Wachstumszwang und einem Konkurrenzdenken, das alle Lebensbereiche unterwandert, müssen Grenzen gesetzt werden.
Handelskriege, konkurrenzorientierte Abschottung und kriegsbedingte Deglobalisierung sind aber keine emanzipatorischen Antworten. Unbestritten ist, dass die Entgrenzung der Geld- und Finanzmärkte die Krisenanfälligkeit erhöht, die Marktmacht von Konzernen und Vermögensbesitzenden gestärkt und demokratische Gestaltungsspielräume eingeschränkt hat. Diesbezüglich ist auch Trump – entgegen der landläufigen Einschätzung - ein Hyperglobalisierer, der die Ökonomisierung aller Lebensbereiche radikalisiert. An sich ist der verstärkte Regulierungsbedarf im Finanzsektor mittlerweile weitgehend unbestritten. Rasend schnelles, hypermobiles Finanzkapital ist ein Haupttreiber universeller Konkurrenz um alles und jedes. Im Warenhandel ist die Frage bezüglich Globalisierung komplexer, denn Welthandel hat auch viele Vorzüge, weshalb es hier gilt, Vor- und Nachteile grenzenlosen Handelns abzuwägen.
Es geht also darum, Globalisierung zu erden. So wenig wie sich Europa auf Brüssel reduziert (Europa ist auch genauso Lesbos, Ostslowakei und Langenlois), findet Globalisierung nicht nur auf Weltkonferenzen oder einer herbeigewünschten Weltregierung statt, sondern Globalisierung wird auch „von unten“ gemacht: destruktiv und konstruktiv werden auch vor Ort planetarische Grenzen und Klimaveränderungen mitgestaltet.
Das führt zur These 4.
These 4: Selektive wirtschaftliche Regionalisierung ermöglicht Eigenständigkeit und Weltoffenheit
Strategien einer emanzipatorischen Regionalisierung brauchen vor allem Kostenwahrheit im Transport. Dann wäre kleinteiliges Wirtschaften wieder attraktiver. Saisonales und regionales Essen, aber auch lokale Reparaturnetzwerke könnten eine auf Klein- und Mittelbetrieben aufbauende regionale Ökonomie stützen. Durch transnationale Regionalisierungen, allen voran die europäische Integration, könnten Handlungsspielräume „von unten“ zurückgewonnen werden. Doch davon ist die aktuelle EU sehr weit entfernt, ja sie untergräbt mit ihrem neoliberalen Regelwerk kommunale und nationale Gestaltungsmöglichkeiten. Sie ist heute vor allem treibende Kraft zur Entgrenzung von Märkten.
Dringend benötigt wird aber eine Europäische Union als soziales und demokratisches Gegengewicht zur Hyperglobalisierung, als Gegenmacht zu global agierenden Konzernen, die marktbeherrschende Stellungen einnehmen – denken wir nur an Bayer-Monsanto, Amazon, Google und Apple; oder an Unternehmen, die „too big to fail“ sind, um für ihr Marktversagen bestraft zu werden, wie Volkswagen oder zuletzt Monte del Paschi in Italien. Wirtschaftliche Regionalisierung könnte derartige Machtkonzentrationen vermeiden und die Übermacht globaler Player einschränken. Welthandel könnte dann ein Korrektiv sein, regionale Monopole und Seilschaften zu verhindern.
Denn weder unbegrenzter Handel noch Abschottung sind emanzipatorische Ansätze. Vielmehr braucht es möglichst simple Spielregeln und Rahmen, die ein sinnvolles, demokratisch gestaltetes Zusammenspiel von lokal und global ermöglichen und die Widersprüchlichkeit zwischen Vielfalt vor Ort und globaler Zusammenarbeit ausbalanciert. Es braucht beides: Eigenständigkeit und Weltoffenheit, so etwas wie einen heimatverbundenen Kosmopolitismus.
Der Wertschätzung von Vielfalt und Regionalisierung wird wohl leicht zugestimmt. Und trotzdem meinen viele, die großen globalen Themen – wie Klima, Armut, Menschenrechte und Weltwirtschaftsordnung – erfordern globale Handlungsstrategien. Globale Koordinierung ist in der Tat wichtig, zugleich zeigen die aktuellen Entwicklungen (von Putin bis Trump), dass gegenwärtig globale Zusammenarbeit prekär ist. Schon lange beobachten wir, dass Investoren und Finanzmärkte demokratische Regierungen erpressen, oder aber direkt an den Hebeln der Macht sitzen. Ex-Kommissionspräsident Barroso ist ein letztes Beispiel dieses fatalen Drehtüreffekts. America First, Trumps Anspruch, die politische Macht zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil einzusetzen, untergräbt ernsthafte globale Kooperation. Vor dem Hintergrund dieser realpolitischen Sachlage braucht es neue Strategien, um die brennenden Probleme unserer Zeit dennoch zu bearbeiten. Gott sei Dank sind globale Probleme nicht nur global bearbeitbar.
Das führt zu fünften, und letzten These.
These 5: Auf dem Weg zum guten Leben für alle braucht es erweiterte Handlungsspielräume „von unten“
Eine der Kernbotschaften dieses zweiten Kongresses lautet: Auf allen räumlichen Ebenen gibt es Handlungsspielräume für Klima- und Sozialpolitik; und es gilt, wo immer möglich, diese zu nutzen und auszuweiten - regional, national und europäisch. Auf allen Ebenen können Menschen tätig werden und den notwendige sozial-ökologischen Umbau unser Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben. Die eigene Nachbarschaft, Österreich und Europa sind wichtige Handlungsebenen.
Jede, jeder von uns ist gleichermaßen Konsumentin, BürgerIn, Beschäftigte. Globale Finanzmärkte und digitale Medien haben universelle Märkte geschaffen, die uns als KonsumentInnen durch den Besitz von Geld ermächtigen. Durch die Globalisierung vergrößert sich unsere Weltreichweite dramatisch– das hat Hartmut Rosa gestern eindrucksvoll vorgestellt. Geld eröffnet vermeintlich größtmögliche Freiheit: Textilien aus Bangla Desh, Mangos aus Brasilien, Bücher von Amazon, Taxi von Uber – all diese Produkte sind mit Geld erwerbbar, oftmals billiger als lokal angebotene Waren. Die unintendierte Folge der vielen einzelnen Kaufentscheidungen ist aber nicht nur die Konzentration von Macht und die damit verbundene Erosion von Demokratie, sondern auch die Manipulation des Angebots – unkontrollierte Gentechnik und Agrobusiness gehen Hand in Hand; Amazon und Uber wollen keine Gewerkschaften, globale Finanzmärkte bestrafen Regierungen, die fair besteuern und Sozialprogramme einführen wollen.
Das Anliegen dieses Kongresses ist es, die Lösung dieses Dilemmas nicht bei individuell fairen Kaufentscheidungen zu suchen, sondern in einer radikalen Neudefinition dessen, was gutes Leben für alle braucht. Auch da helfen die Überlegungen Hartmut Rosas zu Resonanz und sein Insistieren auf gelungene Weltbeziehungen, die uns berühren, ansprechen, die „etwas in Schwingung bringen“. Sein statt Haben. Politisch gesprochen geht es um die Abkehr vom Konsumismus als Illusion, die Bedürfnisse von sieben Milliarden Menschen ließen sich allein am Markt befriedigen. Geld haben, das mit Kreditkarte global Shoppen Gehen, ist nicht die ganze Freiheit, die wir meinen.
Gutes Leben für alle braucht die Abkehr von dieser Illusion, die unter ökologischen Gesichtspunkten desaströse Konsequenzen hätte. Es braucht andere Formen, wie die Befriedigung von Bedürfnissen organisiert wird. Unbegrenzte Mobilität und unbegrenzte Einkaufsmöglichkeiten haben einen Preis – und dieser Preis kann für ein Gemeinwesen hoch – mitunter zu hoch - sein. Die Kämpfe rund um AirBnB und Uber zeigen, dass uns hier Auseinandersetzungen um Grenzziehungen und Regulierungen bevorstehen. Clemens Himperle kann darüber morgen beim Globalisierungs-Panel sicher mehr berichten.
Statt Wohlstand über den Zugang zu Geld zu definieren, braucht es „von unten“ eine Neudefinition von Lebensqualität im Sinne geglückter Weltbeziehung – durch die erfolgreiche Integration von Schutzsuchenden, durch Projekte, die Mittelschule und Gymnasium in Dialog bringen, durch energieautarke Gemeinden. Gemeinden und Städte haben die Möglichkeit, Menschen, die im Kleinen etwas verändern wollen, die selbst-wirksam ihr Lebensumfeld und die Welt gestalten, zu unterstützen. „Vor Ort“ handeln heißt Sorge zu tragen für das Lebensumfeld, Verantwortung zu übernehmen für diesen Planeten, Politisch-werden im Sinne der Gestaltung des Gemeinwesens und der Welt.
Die Strategie, klimaschädliche Infrastrukturen zurückzubauen – allen voran bestimmte Verkehrsinfrastrukturen und fossile Energiesysteme – und stattdessen eine leistbare sozialökologische Infrastruktur für alle auszubauen, ist daher sicherlich der beste Weg, um strukturelle Veränderungen weg von Konsumismus und Wachstumszwang einzuleiten. Während die Umverteilung von Geld die Funktion hat, Not zu lindern – und das ist nicht wenig!, sind attraktive öffentliche Räume, billige öffentliche Verkehrsmittel, Zeitwohlstand, erschwinglicher Zugang zu Energie, Wasser, Wohnen, Gesundheit und Bildung, Kommunikation und vielem mehr notwendige Voraussetzungen für eine neue, solidarische Lebensweise mit reduziertem ökologischen Fußabdruck – aber besserer Lebensqualität für alle.
In diese Richtung sollte Wissenschaft denken, in diese Richtung sollten soziale Bewegungen aktiv werden. Vielen Dank!
Andreas Novy, Wien, 9.2.2017
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Kommentar von Katharina Ebinger |
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