Demokratische Infrastrukturen

Demokratische Infrastrukturen

Workshop-Leitung: Hans Asenbaum
Workshop-Unterstützung:
Lorenz Stör

 

Ziel des Workshops war es, Möglichkeitsräume für „demokratischen Infrastrukturen“ aufzuzeigen. Mit etwa 35 Teilnehmer_innen wurde das Thema aus zwei Perspektiven beleuchtet. Einerseits wurde danach gefragt, welche Möglichkeiten direktdemokratischer Partizipation durch das Gemeinschaftswesen Staat zur Verfügung gestellt werden können, andererseits wurde selbstorganisierten und basisdemokratischen Alternativen nachgegangen.

Demokratie wird gegenwärtig zu einem inhaltsleeren Begriff, der auf Wahl- und Abstimmungsakte reduziert wird. Teil der Motivation des Workshops war es diesen Begriff im Sinne eines guten Lebens für alle wieder mit seinem emanzipatorischen Gehalt von Gleichheit, Freiheit und Solidarität zu füllen.

Am Vormittag ging es darum zu erörtern welche Möglichkeiten der direkten, demokratischen Partizipation es innerhalb des existierenden Systems der repräsentativen Demokratie gibt. Dazu wurden Bürger_innenräte von Martina Handler (Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik, ÖGUT) – einer ausgewiesenen Expertin für Partizipationsprozesse – vorgestellt. Martina gab eine knappe theoretische Einführung in den Anwendungsbereich von Bürger_innenräten, welche als Demokratisierungselement in Österreich von der Vorarlberger Landesverwaltung initiiert wurde und oft z.B. von Kommunen für den Entscheidungsprozess zu einer Problemstellung zu Rate gezogen werden. Anschließend führte Martina die in Bürger_innenräten angewandte Methode „Dynamic Facilitation“ (entwickelt vom US-Amerikaner Jim Rough) exemplarisch mit der Gruppe durch, um einen Einblick in Ihre Arbeit mit Bürger_innenräten zu geben. Diskutiert wurden mögliche Lösungsansätze für den gegenwärtigen Mangel an Partizipationsbereitschaft der Bevölkerung. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, die durch die spezielle Moderationsmethode befördert wird, resultierte in einer Vielfalt struktureller Lösungsansätze, wie der Umverteilung von Zeit und anderen Ressourcen, die Mitgestaltung ermöglichen.

Am Nachmittag stellten Mitglieder von fünf selbstorganisierten und basisdemokratischen Initiativen aus Wien in einem „Raum der Möglichkeiten“ deren Motivation sowie Vor- und Nachteile ihrer Entscheidungsstruktur vor. Die Teilnehmenden konnten sich in Kleingruppen mit den diversen Initiativen vertraut machen und ihre persönlichen Fragen stellen. Mit dabei waren die Initiativen:

  • Foodcoop Einkorn
  • UniBrennt
  • 12-Schritte-Gruppe (selbstorganisierte Therapie, z.B. Anonyme Alkoholiker)
  • KAMA (Kursangebote von Asylsuchenden, Migrant_innen und Asylberechtigten)
  • Nyeleni-Forum (Netzwerk für Ernährungsouveränität)

 

Mögliche Synergien dieser beiden Stränge – der Bürger_innenrat am Vormittag und die basisdemokratischen Initiativen am Nachmittag – wurden in einer gemeinsamen Diskussionsrunde erörtert. In der Diskussion ergab sich ein alternatives Bild von Demokratie, das nicht auf Abstimmungen beruht und sich damit auf einen kurzen Moment reduziert, sondern das Demokratie als kontinuierlichen Verständigungsprozess begreift. Während gemeinhin bei diesem Prozess auf den aktiven Part der Kommunikation geachtet wird, ist aber auch der Gegenpart des Zuhörens und Verstehens ebenso wichtig. Daraus ergibt sich ein Demokratieverständnis, das nicht auf Konflikt und Wettbewerb, sondern auf gegenseitiges Verständnis und Kooperation beruht. Dafür bedarf es auch demokratischer Infrastrukturen, die zivilgesellschaftliche Initiativen und soziale Bewegungen vernetzen, so dass diese auf das staatliche Gemeinwesen einwirken können. Auch das staatliche Angebot an partizipativen demokratischen Entscheidungsräumen sind nicht ausschließlich als Top-Down und damit als Herrschaftsinstrument, das lediglich zur Herstellung von Legitimation geht, zu begreifen. Viel eher können auch neue Formate wie Bürger_innenräte von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Graswurzelbewegungen genutzt werden, um auf politische Prozesse einzuwirken. Es ist die Aufgabe sozialer Bewegungen Demokratie beständig einzufordern und zu erneuern. Dabei gilt es aber auch gegenüber der Gefahr wachsam zu sein, bestehende Herrschaftsstrukturen zu reproduzieren.

Der Workshop bot trotz der Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas einen fruchtbaren Raum des Austauschs und des Kennenlernens verschiedener demokratischer Entscheidungsmechanismen. In einer Abschlussrunde wurde neben dem Wunsch einer Wiederholung und dem expliziten Dank an das kostenfreie Kongress-Angebot besonders das wertschätzende Element demokratischen Austausches von den Teilnehmer_innen hervorgehoben.

Die Workshop-Organisation und Moderation dankt allen Teilnehmenden für diesen spannenden Tag und die wertvollen Erkenntnisse.

 

Demokratische Grüße,
Hans Asenbaum & Lorenz Stör

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