5 Thesen zum Gutes Leben für alle Kongress, Februar 2017

These 1: Gesellschaften brauchen Utopien, die Orientierung geben und Potentiale nutzen

In den gegenwärtigen Zeiten grundlegender Veränderung, den Angriffen auf zivilisatorische Errungenschaften wie Rechtsstaat oder Menschen- und BürgerInnenrechte und zunehmender Unsicherheit braucht es mehr als nur jeweils das Schlimmste zu verhindern. Für emanzipatorische Entwicklungen braucht es positive Erzählungen, die Hoffnung geben und den Möglichkeitssinn stärken. Ein Blick in die Geschichte lehrt uns das: Menschenrechte, Frauenrechte, die Abschaffung der Sklaverei oder ArbeitnehmerInnenrechte und der Sozialstaat – am Anfang waren all diese Errungenschaften Utopien, die Orientierung gaben und Potenziale mobilisiert haben.

These 2: Gutes Leben für alle ist die konkrete Utopie einer Zivilisation, die nicht auf Kosten anderer lebt

Das gute Leben für alle beschreibt eine Welt, in der das freie Zusammenleben friedlich und solidarisch organisiert wird. Es ist ein positiver Gegenentwurf, der Sinn stiftet und Phantasie anregt. Er stellt die Frage danach, wie Lebens- und Produktionsweisen zu verändern und zu gestalten sind, und zwar so – dass das eigene gute Leben nicht auf Kosten anderer erfolgt und Freiheit, Solidarität, Nachhaltigkeit und Demokratisierung für alle ermöglicht. Das gute Leben für alle ist ein Kompass, der konkrete Umsetzungsschritte ermöglicht und diese in den großen Horizont hin zu einer verallgemeinerbaren Lebens- und Produktionsweisen einbettet. Insofern ist die Utopie des guten Lebens für alle kein Wohlfühlkonzept, sondern eine Utopie die zur Auseinandersetzung mit Widersprüche und Konflikten zwingt.

These 3: Freiheit für alle braucht Grenzen, die demokratisch verhandelt werden

Die aktuelle Hyperglobalisierung basiert auf entgrenzten Märkten, die die Möglichkeiten sozialökologischer Veränderung massiv einschränken. Die Utopie einer grenzenlosen Globalisierung, die zu Frieden und Entwicklung führt, erweist sich zunehmend als Illusion. Die Starken setzen ihren Willen mit und ohne Regeln durch. Doch Freiheit für alle ist ohne Grenzen, Regeln und Ordnung nicht möglich. Doch was, wo und wie begrenzt wird, muss demokratisch verhandelt werden. Das gilt insbesondere für Geld und Waren. Es gilt, Vor- und Nachteile grenzenlosen Handelns abzuwägen und demokratisch zu regeln.

These 4: Selektive wirtschaftliche Regionalisierung ermöglicht Eigenständigkeit und Weltoffenheit

Es geht darum, Globalisierung zu erden. Es braucht Strategien der emanzipatorischen Regionalisierung, um Handlungsspielräume „von unten“ zurückzugewinnen. Dies erfordert demokratisch verhandelte Grenzziehungen, insbesondere für Finanzmärkte, ebenso wie eine Zivilisierung des Welthandels, die Sozial- und Umweltdumping verunmöglichen. Freihandel und Abschottung sind keine emanzipatorischen Ansätze, vielmehr braucht es Spielregeln und Rahmen, die ein sinnvolles Zusammenspiel von lokal und global ermöglichen und die Widersprüchlichkeiten zwischen lokal und global, Vielfalt vor Ort und globaler Zusammenarbeit im Interesse eines guten Lebens für alle ausbalancieren. Für ein gutes Leben für alle braucht es beides: Eigenständigkeit und Weltoffenheit, so etwas wie einen heimatverbundenen Kosmopolitismus.

These 5: Auf dem Weg zum guten Leben für alle braucht es erweiterte Handlungsspielräume „von unten“

Viele meinen, die großen globalen Themen – wie Klima, Armut, Menschenrechte und Weltwirtschaftsordnung – erfordern globale Handlungsstrategien. Ohne die Notwendigkeit von Global Governance zu leugnen, zeigen die aktuellen Entwicklungen (von Putin bis Trump), dass gegenwärtig globale Handlungsfelder schrumpfen. Doch globale Probleme sind vielschichtig und nicht nur global bearbeitbar. Auf allen räumlichen Ebenen gibt es Handlungsspielräume für Klima- und Sozialpolitik. Auf allen Ebenen können Menschen tätig werden, um Freiheit, Solidarität, Nachhaltigkeit und Demokratisierung zu befördern. Es geht um Erfahrungen, etwas verändern zu können, wirksam zu werden in der Gestaltung der Welt. Daher ist es sinnvoll und notwendig, Handlungsfähigkeit auszuweiten, wo immer diese vorhanden ist, regional, national und europäisch.