Interview

Akteursperspektive

Nach dem Kongress ist vor dem Tun und Verändern! Deshalb haben wir exemplarisch sechs AkteurInnen, die auch am Kongress teilgenommen haben, zu den Perspektiven der Veränderung in ihrer Institution befragt. Konkret lautete die Frage:

"Was muss sich im jeweiligen konkreten Feld/in der Institution ändern, damit wir am Weg zu einem guten Leben vorankommen? Womit könnten wir am Montag beginnen?"

Hier lesen Sie ihre Antworten...

Sigrid Stagl

Professorin an der WU, PhD in Ökologischer Ökonomie

"Unser ehem. Rektor Christoph Badelt hatte bereits das Projekt Rethink Economy initiiert, das unsere Forschenden und Lehrenden an der WU aufruft, darüber nachzudenken, wie ökonomisches Denken verändert werden muss, damit wir auf gesellschaftliche Herausforderungen besser reagieren können. Auch die aktuelle Rektorin achtet auf Geschlechterfragen und Universitätsanliegen.

Zeitgleich gibt es an der WU noch immer das Denken in drei Säulen der Nachhaltigkeit, „Triple bottom line“, so als ob die verschiedenen Dimensionen separat gehalten werden könnten. Das muss sich ändern. Altes Denken darf nicht als Grundlagenforschung verkauft werden.

Die Mobilität von Forschenden stellt eine besondere Herausforderung dar. Unser Job heißt „Ideen sollen reisen“. Sollen dann auch Forschende reisen? Am Institut für ökonomische Ökologie haben wir eine Forschungsseminarreihe, wo wir den Anspruch haben, „kohlenstofffrei“ zu reisen. Wir laden daher nur Vortragende ein, die bereits in Wien sind, hängen uns quasi dran, oder laden ein, über Telekonferenzen Vorträge zu halten."

Ulrich Brand

Universität Wien

"Ich hatte kürzlich mit KollegInnen und Kollegen das Buch „Globalisierung analysieren, kritisieren und verändern“ herausgebracht. Wir analysieren, warum „Gutes Leben für alle“ so schwierig ist – wir kritisieren, dass es so schwierig ist und wir wollen es auch verändern. Da hat Wissenschaft aus meiner Sicht einen wichtigen Beitrag zu leisten. Was sind die Hindernisse von sozialökologischer Transformation? Für die Uni Wien, aber auch für die Wissenschaftslandschaft heißt das, dass wir transdisziplinäre Forschung brauchen – mit gesellschaftlichen Akteuren zusammen.
Wir haben 2004 die Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung AKG gegründet, ein Versuch wissenschaftspolitische aber auch kritische Inhalte zur Diskussion zu stellen.
Die Arbeit mit jungen Menschen und zu sehen, wie sie sich entwickeln, ist eine der „beglückendsten“ Tätigkeiten an der Uni. Die Frage ist, welche Kompetenzen müssen wir ihnen vermitteln, dass wir im Jahr 2030, 2040, 2050 die soziolökologische Transformation hinbekommen, daran sind wir ja beteiligt. D. h. aber auch, dass Studierende sich Kritik erarbeiten, sich organisieren und fordern, was sie an Lehrinhalten wollen – und „Handlungsspielräume von unten“, die Andreas Novy erwähnte, stärker nutzen."

Volker Plass

Unternehmer und bis vor kurzem Obmann der Grünen Wirtschaft

"Ich wünsche mir, dass es mehr Planungssicherheit gibt und dass wir die Spielregeln des Marktes für das 21. Jahrhundert nachjustieren und neu definieren. 

Es heißt: „Wer zahlt, schafft an“. Dann muss es auch heißen: „Wer anschafft, muss bezahlen.“ Das ist ein Appell für eine Vollkostenrechnung und eine absolute Kostenwahrheit. Das, was uns am meisten helfen würde, wäre eine ökosoziale Steuerreform, wo dieses Element der Kostenwahrheit wesentlich intensiver wirken würde. Das WIFO hat mit dem Projekt WWWforEurope eine radikale Steuerreform vorgeschlagen. Bitte einfach umsetzen. Das wäre der größte Schritt auf diesem Weg.
CO2-Steuern enthalten auch ein gewisses Problem, sie müssen am armen Ende der Gesellschaft von Allen bezahlt werden und am reichen Ende können sie bezahlt werden. Es stellt sich die Frage, ob wir die wesentlichen Lebensgrundlagen kontingentieren und uns überlegen, ob wir nicht auch den Eigentumsbegriff dahin gehend hinterfragen, dass Geld nicht mehr alles kaufen kann – und wir wesentlich genauer darauf achten, was jeder Mensch für sich selbst und in seinem Unternehmen konsumiert."

Magdalena Heuwieser

System Change not Climate Change

"Widerstand und zivilgesellschaftlicher Druck sind wichtig und weiterhin notwendig. Wie können wir erreichen, dass sich mehr Menschen als kritische Zivilgesellschaft verstehen? Wie kommen wir aus der Nische raus? Wie können wir Zeit, Lernräume und Vernetzungsmöglichkeiten schaffen, dass noch mehr Menschen demokratisch mitwirken?
Was bedeutet zivilgesellschaftliches Engagement bei uns? Was bedeutet es in vielen Teilen der Welt? In Honduras, wo ich Kontakte habe, werden Menschen bedroht, wenn sie sich engagieren – mit Verlust des Arbeitsplatzes oder im schlimmsten Fall mit dem Tod. Bei uns dagegen bleibt alles in der Wohlfühlzone und trotzdem setzen sich wenige ein. Daher mein Aufruf zu mehr Mut, sich einzusetzen, vielleicht mal unangenehm zu sein oder unangenehme Konsequenzen in Kauf zu nehmen – so wie es die AktivistInnen bei „Rettet die Mur“ tun. Das würde ich mir in Österreich wünschen. „Raus aus der Wohlfühlzone!“

Silvia Nossek

Bezirksvorsteherin Wien Währing

"Die Stadt Wien braucht wieder eine Utopie, die sie erzählen kann. Wien hatte diese schon mal. Das rote Wien steht für ein „Gutes Leben für alle“. Das war die Intention. Wien hat schon bewiesen, dass es eine hohe Integrations- und Innovationsfähigkeit sowie viel Experimentierfreude hat. Aus dieser Erzählung, dieser Utopie können wir die Begeisterung und die Kraft schöpfen, uns den aktuellen Herausforderungen zu stellen. Es fehlt, dass den WienerInnen wieder bewusst ist, dass wir eine tolle Infrastruktur haben und alle aufgefordert sind, diese im Sinne eines „Guten Lebens für alle“ mitzugestalten. Konkret werden wir am Montag den Prozess zur Einführung der „Lokalen Agenda 21“ in Währing starten.“

Maria Maltschnig

Dr. Karl Renner-Institut

"Die Kongresstage haben sehr verdeutlicht, dass es zwei signifikante Gruppen gibt, die wir für die Politikentwicklung so dringend brauchen. Die WissenschaftlerInnen, die gesellschaftlich wertvolle Inhalte erforschen und die Gruppe der AlltagsexpertInnen. 

Mein Kollege Sebastian Schublach hat den Workshop Arbeitszeitverkürzung begleitet und wird die Ergebnisse im Dr. Karl Renner-Institut für die politische Praxis einbringen.“